Ist der geneigte Hamburger „auf Kampnagel“, steht meistens irgendetwas kulturell Wertvolles auf dem Programm. Tanz, Theater oder Musik, gern etwas avantgardistisch. Ganz anders vergangene Woche. Da öffnete in der ehemaligen Maschinenfabrik die Digitalkonferenz solutions.hamburg ihre Tore und bot ein eindrucksvolles Veranstaltungsangebot, das auch für die Startup-Szene viel zu bieten hatte.
Schon am Mittwoch, als mittelstands.tag konzipiert, bekamen einige Hamburger Startups die Gelegenheit, sich den Besuchern vorzustellen. So hatte die Sponsoringplattform Sponsoo einen eigenen kleinen Stand, gleich neben dem von Gerabo, wo man sich über eine anonymisierte Kundenkarte informieren konnte.
Um die Mittagszeit versammelte sich dann die geballte Startup-Kompetenz auf der Bühne des k5. René Grothkopp erklärte, was die Handelskammer Hamburg für Existenzgründer tut, Sina Gritzuhn von Hamburg Startups machte einmal mehr deutlich, was ihre Initiative und vor allem der Monitor zu bieten haben, Sebastian Tempel konnte über die Erfolge des Startup Docks der TU Harburg berichten und Christian Miele repräsentierte sowohl den Bundesverband Deutsche Startups als auch das Venture Capital Unternehmen e.ventures.
Pecha Kucha mit sechs Hamburger Startups
Weiter ging’s mit einem nach der Pecha Kucha-Methode durchgeführten Pitch. Hier stehen den Rednern 20 Slides für jeweils 20 Sekunden zur Verfügung, was die Vortragszeit automatisch auf sechs Minuten, 40 Sekunden beschränkt. Am Start waren mindflow (App für die Organisation von Meetings) fluxero (Plattform für Sport- und Freizeitaktivitäten) und Skybus (Maschinenkommunikation).
Zum vermutlich letzten Mal stellte Jonathan Mall sein Empfehlungskonzept unter dem Namen recommend.to vor. Außerdem waren der Immobilienvermittler immomio und die digitale Patientenakte connected-health dabei. Einen Sieger gab es bei diesem Pitch zwar nicht, aber einen erneuten Beweis dafür, wie vielfältig die Startup-Landschaft in Hamburg ist.

Awola Marie Leckband von fluxero, Paul Zittlau und Nicolas Jacobi von immomio, Pascal Riederer von mindflow, Jonathan Mall von recommend.to, Gabriel Adorf von connected-health und Pierre Manière von Skybus beim Pecha Kucha
Am Donnerstag legte dann die solutions.hamburg so richtig los, und es wurde deutlich, welch gewaltige Entwicklung die vom IT-Dienstleister Silpion organisierte Veranstaltung über die Jahre genommen hat. Einst ein Grillabend im kleinsten Kreis, ist daraus eine Digitalkonferenz geworden, die nicht nur in Hamburg ihresgleichen sucht.
Zur offiziellen Eröffnung konnte Hamburgs Erster Bürgermeister zwar wegen dringender Amtsgeschäfte nicht persönlich erscheinen, aber immerhin schickte er eine Videobotschaft. Es folgten Keynotes von SAP-CTO Rolf Schumann und Daniel Domscheit-Berg, dem ehemaligen Sprecher von WikiLeaks.
„Fear of missing out“ – das Motto jeder Großveranstaltung
Danach ein Blick auf das Programm, und spätestens jetzt war klar: Völlig unmöglich, sich auch nur annähernd einen repräsentativen Überblick über alle Vorträge und Workshops zu verschaffen. Dafür fanden zu viele Konferenzen innerhalb der Konferenz statt, verteilt nicht nur auf die Säle von Kampnagel, sondern auch auf benachbarte Gebäude. Blieben zwei Optionen: sich treiben lassen oder auf einen Themenblock konzentrieren.
Zum Beispiel auf die von der MINISTRY GmbH präsentierte Vortagsreihe unter der Überschrift „Mobility“. Dort sprach Jeremy Tay Abbett von Google (und Kuratoriumsmitglied bei Startups@Reeperbahn) unter anderem über „FOMO“ (Fear of missing out), also die Angst, etwas zu verpassen, was zweifellos auch auf ein Ereignis wie die solutions.hamburg passt.
Während er weitgehend allgemeine aktuelle Phänomene rund um Smartphone und Internet betrachtete – von Grumpy Cat bis zum Drohnie, einem mit der Drohne aufgenommenen filmischen Selbstporträt – ging es bei den weiteren Beiträgen tatsächlich um Mobilität im eigentlichen Sinne.
So verblüffte der Auftritt von Ivana Tzschoppe von der Schweizer Bahn (SBB), der das Klischee von den etwas betulichen Eidgenossen widerlegte und deutlich machte, dass sich die Deutsche Bahn von der SBB einiges abgucken sollte.
Bald Elektroautos aus Hamburg?
In Hamburg wird natürlich auch nicht geschlafen. Maik-M. Linberg von vukee steuerte mit seiner App einen Tesla, der irgendwo in Kalifornien geparkt war, und in der abschließenden Diskussionsrunde über die Zukunft der Automobilindustrie sickerte durch, dass wohl noch in diesem Jahr ein Hersteller von Elektroautos in der Hansestadt ansiedeln will. Wir sind gespannt!
Auch der Freitag war wieder randvoll mit Programmschwerpunkten. Einer davon stand unter der Überschrift gründer.werft und richtete sich explizit an Startups. Grund genug für uns, sich auf diesen Block zu konzentrieren. Zum Auftakt führte Heiko Hubertz, Gründer von Bigpoint, auf, welche Fehler Gründungsnovizen oft machen und worauf es essentiell ankommt: ein gutes Team und harte Arbeit.
Es folgten Pitches einiger Hamburger Startups (und von einem aus Berlin) und eine Reihe von Vorträgen zu Finanzierungsmodellen, ein Thema, das junge Unternehmen in allen Phasen ihrer Geschichte begleitet und entsprechend vielschichtig aufbereitet wurde, für Anfänger und Fortgeschrittende.
Volles Programm mit kleinen Aussetzern
Jan-Menko Grummer von EY referierte über die „Dos and Don’ts“ bei der Gründung, dazu gab es Tipps für das Recruiting und Infos über die unterschiedlichen Förderprogramme aus Staat und Wirtschaft. Das Angebot ließ kaum einen Wunsch offen, und doch kam die solutions.hamburg an ihrem dritten Tag phasenweise an ihre Grenzen.
Ob durch krankheitsbedingte Ausfälle, kurzfristige Umstellungen oder Missverständnisse in der Kommunikation – hier und da war zu hören, dass Veranstalter und Besucher kurzzeitig ein wenig den Überblick zu verlieren schienen. Das ist bei einem Event dieses Ausmaßes aber wohl unvermeintlich und schmälert den überaus positiven Gesamteindruck keinesfalls.

Nikolaus Förster von Impulse, Rüdiger Höfert von opusVR und Comedian Frank Eilers bei einer Kompaktversion von 12min.me
Den unterhaltsamen Abschluss bildete dann eine etwas abgespeckte Version des beliebten Formats 12min.me. Drei Vorträge von jeweils 12 Minuten über das Wirtschaftsmagazin Impulse, virtuelle Realität in der Architektur und Glaubwürdigkeit in der Comedy, und schon waren drei Tage solutions.hamburg vorbei.
Jedenfalls fast, denn zum Abschluss luden die Veranstalter von Silpion noch einmal in den großen Saal und ließen sich zu Recht für das Großereignis mit über 300 Speakern und 2.000 Besuchern (unique visitors) feiern. Man kann nur ahnen, welcher Aufwand an Zeit und Personal, an Herzblut und Gehrinschmalz (und natürlich auch Geld) in dieses Spektakel gesteckt wurde.

Oliver-Arne Hammerstein, Dominik Bührle und Patrick Postel von Silpion erklären die Konferenz für beendet – und die Party für eröffnet!
Stichwort Spektakel: Das war noch lange nicht vorbei, denn als krönenden Abschluss konnten Patrick Postel (CEO/Partner), Oliver-Arne Hammerstein (CEO) und Dominik Bührle (Chief Strategy Officer) noch das legendäre Silpion Sommerfest einläuten, für das das gesamte Kampnagelgelände gerade groß genug war.
Feiern bis zum Morgengrauen
Zwei Tonnen Fleisch landeten für die über 3.500 Gäste auf dem Grill, und irgendjemand hat bestimmt auch gezählt, wieviele Liter Getränke dazu durch die Kehlen ronnen, aber diese Zahl ist dann im allgemeinen Rausch untergegangen.
Die standfestesten Gäste fuhren schließlich noch um sechs Uhr morgens mit dem Bus zur Silpion-Stammadresse nach Rothenburgsort, um dort in den Sonnenaufgang weiter zu feiern. Und nächstes Jahr soll, der Tradition folgend, alles noch ein bisschen größer werden. Den Machern der solutions.hamburg und des Sommerfests ist das durchaus zuzutrauen.
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